„Es ist 5 vor 12“ – TARDOC, ambulante Pauschalen und der digitale Wandel im Spital
- Manuel Schmid
- 16. Mai
- 5 Min. Lesezeit
Am 8. Mai 2025 traf sich in Aarau die Schweizer Gesundheitscommunity zum ATSP Swiss Healthcare Event 2025. Die zentrale Frage des Tages: Wie gelingt es Spitälern, sowohl die Einführung des neuen ambulanten Tarifsystems mit TARDOC und ambulanten Pauschalen als auch die Ablösung des bestehenden SAP IS-H Systems nicht nur zu bewältigen – sondern als Chance zu nutzen?
Die Antwort: Indem sie jetzt aktiv werden, interne Strukturen analysieren, tragfähige Fachkonzepte entwickeln und sich mit starken Partnern vernetzen. Nur durch eine vorausschauende Planung, technische Vorbereitung und gezielte Schulung lassen sich die komplexen Anforderungen nicht nur erfüllen, sondern langfristig auch nutzen – für ein effizientes und zukunftsfähiges Gesundheitssystem.

TARDOC & ambulante Pauschalen: Transformationsprojekt im Spitalalltag
Ab dem 1. Januar 2026 ersetzt das neue Gesamt-Tarifsystem mit TARDOC und ambulanten Pauschalen das bisherige TARMED-Modell. Was auf den ersten Blick nach einer reinen Tarifumstellung klingt, ist in Wirklichkeit ein komplexes Transformationsprojekt im Spital, das sämtliche Ebenen betrifft: von IT und medizinischer Leistungserfassung über Verträge und Organisation bis hin zu Finanzflüssen und strategischer Ausrichtung.
Dieser Teil der Veranstaltung war geprägt von Fachwissen, Erfahrung und klaren Botschaften zur erfolgreichen Einführung von TARDOC und ambulanten Pauschalen – vermittelt durch drei profilierte Referierende:
Karin Zaugg, Geschäftsführerin Patpro, Expertin für Patientenadministration, Tarife und Leistungsmanagement
Herbert Dürschke, Senior Healthcare Consultant SAP, mit vertieftem Einblick in technische und konzeptionelle Herausforderungen
Roman Kissling, Head of Consulting & Service ATSP, mit Fokus auf Implementierung, SAP-Schnittstellen und Projektmanagement
Vernetzung statt Silodenken
Karin Zaugg betonte die zentrale Bedeutung der Vernetzung mit anderen Spitälern sowie externen Partnern. Interdisziplinärer Austausch und frühzeitige Abstimmung mit SAP-Beratern, Softwareanbietern und klinischen Fachbereichen sind entscheidend, um die nötige Klarheit über technische wie organisatorische Anpassungen zu gewinnen. Ein gutes Beispiel, wie Silodenken konkret überwunden wird, zeigt sich in der Zusammenarbeit von SAP mit einer Vielzahl an Softwareanbietern – ein Schulterschluss zugunsten der Spitäler, der in dieser Form nicht selbstverständlich ist. Das Ziel dieser Kooperation ist, dass alle dieselben Grundlagen verstehen. Gerade für Softwareanbieter ist die fachliche Komplexität im Zusammenhang mit der Tarifumstellung eine besondere Herausforderung.
Herbert Dürschke verwies in diesem Zusammenhang auf die Gründung einer Interessensgemeinschaft mit 25 Schweizer Softwareunternehmen, darunter auch direkte Mitbewerber. Ziel dieser übergreifenden Zusammenarbeit ist es, das fachliche Verständnis für die komplexen Anforderungen der Tarifumstellung zu harmonisieren und den Spitälern eine einheitliche, verlässliche Grundlage zu bieten. Diese koordinierte Herangehensweise stellt einen bemerkenswerten Schritt gegen das Silodenken dar – und zugleich ein starkes Signal für die gemeinsame Verantwortung aller Beteiligten beim Erfolg der Einführung.
Projektorganisation und Ressourcen: Jetzt oder nie
Alle drei Referenten waren sich einig: Die Uhr tickt. Die Projektorganisation muss sofort starten – denn die interne Kommunikation sowie die Verfügbarkeit qualifizierter Ressourcen sind erfolgsentscheidend. Externe Unterstützung, etwa durch SAP, ATSP oder weitere Beratungen, ist bereits heute stark ausgelastet. Dass ATSP für Dezember 2025 bis Januar 2026 sogar einen Ferienstopp verhängt hat, spricht für sich.
Karin Zaugg unterstrich zudem die Notwendigkeit, bestehende Verträge – etwa mit Belegärzten, Konsiliarärzten im Bereich bestehender Tarifverträge – frühzeitig auf ihre Tauglichkeit im neuen System zu überprüfen. All dies zeigt: Die Umstellung ist kein „kleines IT-Projekt“, sondern ein komplexes, spitalweites Vorhaben, das umsichtig und mit Weitblick geplant werden muss.
Fachkonzepte müssen aus den Spitälern kommen
Roman Kissling hob hervor, wie zentral durchdachte Fachkonzepte für die Umsetzung des neuen Tarifsystems sind. Im ambulanten Bereich insgesamt wird eine saubere Strukturierung der Fälle künftig unabdingbar sein. Bislang war die ambulante Fallführung weitgehend freiwillig und wurde nur selten standardisiert umgesetzt. Das ändert sich nun grundlegend – mit der Chance, die Fallführung klar, konsistent und zukunftsgerichtet neu aufzubauen.
Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Psychiatrie: Leistungen aus diesem Bereich sind bislang noch nicht in ambulanten Pauschalen tarifiert und können deshalb vorerst noch nicht über ambulante Pauschalen abgerechnet werden. Für die Abrechnung muss der Tarifmatcher in diesem Kontext derzeit nicht implementiert werden. Gleichzeitig spielt die strukturierte Abbildung psychiatrischer Leistungen für REKOLE von Anfang an eine wichtige Rolle – hier kann der Einsatz des Tarifmatchers durchaus schon frühzeitig sinnvoll sein. Diese Differenz zwischen Abrechnungs- und Dokumentationspflicht führt zu zusätzlichem fachlichem und organisatorischem Klärungsbedarf.
Die Entwicklung der dafür notwendigen Fachkonzepte muss aus den Spitälern selbst heraus erfolgen. SAP-Partner wie ATSP können auf dieser Grundlage die technische Umsetzung gezielt begleiten.
Finanzen: Liquidität sichern, Rückweisungen managen
Die Einführungsphase bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich: Testläufe im Echtbetrieb, technische Unklarheiten, fehlende oder ungenaue Vorgaben – insbesondere im Bereich REKOLE – sowie eine erwartete Zunahme unberechtigter Rückweisungen. All dies wird die Spitäler personell fordern.
Karin Zaugg mahnte deshalb: „Genügend Ressourcen einplanen – und mit Verzögerungen rechnen!“
Herbert Dürschke berichtete, dass einzelne Versicherer selbst von Verzögerungen und Herausforderungen bei der Einführung ausgehen. Spitäler müssen deshalb auch bei korrekt gestellten Rechnungen mit vermehrten Rückweisungen und verzögerten Zahlungseingängen rechnen – unter anderem, weil ambulante Diagnosen neu mitgeliefert werden müssen, die hinterfragt werden können, oder weil sich die Rechnungsprüfung der Versicherer in der Umstellungsphase verändert und fehleranfällig sein kann.
Roman Kissling ergänzte: „Liquidität muss gesichert sein – dafür braucht es vorausschauendes Finanzmanagement.“
Ein stabil funktionierender stationärer Bereich kann helfen, allfällige Liquiditätsengpässe im ambulanten Bereich abzufedern – vorausgesetzt, er läuft störungsfrei. Zudem stehen Werkzeuge zur Verfügung, um administrative Prozesse gezielt zu entlasten: Das Taskmanagement Add-on von ATSP unterstützt Spitäler effizient bei der strukturierten Bearbeitung von Rückweisungen – ein entscheidender Faktor in der kritischen Einführungsphase.
IS-H Readiness Check – Fundament für einen stabilen Übergang
Ein weiterer Schwerpunkt des Events lag auf der Vorstellung des IS-H Readiness Check durch ATSP. Dabei wurde deutlich: Der Handlungsbedarf ist akut, doch vielen Spitälern ist der tatsächliche Umfang der bevorstehenden Umstellung noch nicht bewusst.
Für SAP-basierte Häuser ist der Readiness Check ein essenzieller erster Schritt – und zwar jetzt, nicht erst kurz vor Einführung. Die Empfehlung der Experten: mindestens drei bis vier Monate für den Readiness Check einzuplanen, um die Analyse und Vorbereitung parallel zum laufenden Betrieb mit der nötigen Gründlichkeit durchführen zu können.
Der Check umfasst unter anderem folgende Aspekte:
Allgemeine Analyse der technischen Systemlandschaft
Identifikation von Anpassungsbedarfen bei Schnittstellen und Zusatzentwicklungen
Vorbereitung auf die Migration in Richtung S/4HANA bzw. TSHC
Begleitung durch erfahrene Fachpersonen mit technischem und organisatorischem Verständnis
ATSP hat sich hier als starker Umsetzungspartner positioniert – mit praxiserprobten Tools, strukturierten Abläufen und klaren Verantwortlichkeiten.
„Aus Sicht einer strategischen Spitalführung würde ich den Readiness Check jetzt initiieren, um die Grundlage für eine strukturierte, qualitativ hochwertige und terminlich realistische Umsetzung zu legen.“ – Manuel Schmid, CEO und Gründer Parametrix HPC GmbH
Kompetenz im Verbund: Patpro, SAP, ATSP – drei starke Rollen
Zum Abschluss lohnt sich ein Blick auf die unterschiedlichen Rollen der drei Partner:
Patpro bringt Führungs- und Umsetzungsstärke ein – von der Schulung bis zur Gesamtprojektleitung. Besonders in kritischen Phasen ein wertvoller Sparringspartner.
SAP sichert die technische Verlässlichkeit, die Standardisierung und die Beteiligung an nationalen Normierungsgremien.
ATSP kombiniert technisches SAP-Know-how mit Branchenverständnis und Projektmanagement. Ob Formulare, XML-Standards, Schnittstellen oder Customizing: ATSP liefert Lösungen – schnell, zielgerichtet und partnerschaftlich.
Mein Fazit: Der Erfolg liegt im Jetzt – und er gelingt nur gemeinsam.
Die Umstellung auf TARDOC und ambulante Pauschalen ist kein Projekt für morgen. Sie beginnt heute. Wer vorbereitet ist, kann profitieren – durch saubere Prozesse, verbesserte Leistungserfassung, stabile Liquidität und letztlich: bessere Versorgung. Der Zeitdruck ist enorm. Um die Umstellung mit möglichst wenigen Hürden zu meistern, braucht es eine Abkehr vom Silodenken und eine Bündelung der Kräfte im System.
Ich persönlich nehme aus dem Event mit: Der Wandel ist da – und wer ihn gestalten will, muss sich jetzt positionieren.
Mit meinem Unternehmen Parametrix unterstütze ich Spitäler und Softwaredienstleister als unabhängiger Partner mit fundierter technischer, regulatorischer und organisatorischer Expertise. Mein Ziel ist es, Fachkonzepte gezielt zu begleiten, technische Umsetzung zu hinterfragen und gemeinsam mit allen Beteiligten tragfähige Lösungen zu schaffen.
Beratung als Fachexperte: Fachkonzepte beurteilen, mitgestalten und an regulatorische Anforderungen wie TARDOC und ambulante Pauschalen anpassen.
Technische Umsetzung begleiten: Systeme analysieren, parametrisieren und Rückweisungen reduzieren – für mehr Stabilität und gesicherte Liquidität, insbesondere durch eine funktionierende stationäre Abrechnung.
Ich ergänze bestehende Partnerstrukturen durch meine technische Affinität und mein tiefes Verständnis für tarifkonforme Leistungsabbildung. Mein Fokus liegt auf fachlicher und konzeptioneller Unterstützung – etwa durch die Interpretation tariflicher Anforderungen, die Entwicklung praxisnaher Konzepte oder die Prüfung technischer Ansätze auf regulatorische Konformität. Damit leiste ich einen Beitrag, wo vertiefte Fachkenntnis gefragt ist, um komplexe Vorgaben in umsetzbare Praxislösungen zu überführen.
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